Einer besonderen Herausforderung haben wir uns bei einer Island-Reise gestellt: Hakarl. Der fermentierte Grönland-Hai ist in Island eine teure Spezialität. Er gehört für Touristen aber eher zu den Dingen, die man auf den ersten Blick als „Ekel-Food“ bezeichnen würde – oder für Abenteuerlustige: „Erlebnis-Food“.
Bei unserer Island-Kreuzfahrt mit der Seaventure (cruisetricks.de, cruisediary.de) von Viva Cruises haben wir das Hai-Museum des Bjarnarhöfn auf der Snaefellsnes-Halbinsel im Westen Islands besucht und dabei auch Hakarl probiert. Das kostet zunächst viel Überwindung. Letztlich schmeckt Hakarl aber gar nicht mal schlecht. Aber dazu später mehr …
Traditionelle Hakarl-Herstellung
Traditionell wird für die Herstellung von Hakarl das rohe Fleisch des Grönland-Hais ohne weitere Zusätze für einige Monate in der Erde vergraben und anschließend getrocknet. Unsachlicher formuliert: Der Hai gammelt monatelang in einem Erdloch vor sich hin, in Island immerhin bei recht niedrigen Temperaturen.
Im Grund ist das Fleisch vom Grönland-Hai giftig. Die typischerweise vier bis fünf Meter langen, bislang nur wenig erforschten Tiere können einige hundert Jahre alt werden. Für Hakarl entscheidend: Sie haben im Verhältnis zu ihrer Körpergröße nur eine sehr kleine Niere, sodass Giftstoffe sich im Fleisch ablagern und konzentrieren. Noch unangenehmer ist die Vorstellung, dass dadurch quasi Harnstoff in den Tieren zirkuliert, was für die Haie aber lebenswichtig ist, denn es stellt für sie einen natürlichen Frostschutz dar.
Im Fermentierungsprozess wandeln Milchsäure-Bakterien den Harnstoff in Ammoniak um, weshalb der fermentierte Hai infernalisch stinkt. Das Ammoniak und damit der penetrante Geruch verflüchtigen sich beim Trocknen – in offenen Scheunen an der Frischluft – weitgehend.
Die für Hakarl verwendeten Tiere sind übrigens Beifang aus der normalen Fischerei, die Tiere werden also nicht gezielt gefangen.
Wer kommt auf solche Ideen?
In Vorzeiten wurden die Haie in dem Wissen um ihre Giftigkeit in der Erde vergraben, um den Geruch einzudämmen. Irgendwann hat dann wohl ein hungriger Isländer einen solchen Hai aus laute Verzweiflung ausgegraben und gemerkt: Das schmeckt gar nicht so schlecht …
Heutzutage wird das Fleisch der Haie auch bei traditioneller Herstellung von Hakarl nicht mehr in der Erde vergraben, sondern im Winter in großen, offenen Holzkisten in Freien fermentiert. Das und die Trocknung im Freien ist wohl auch der Grund, warum das Museum und der Haifisch-Hof Bjarnarhöfn weit und breit keine Nachbarn haben.
Aber wie schmeckt Hakarl nun eigentlich?
Letztlich bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als allen Mut zusammenzunehmen und diese isländische Spezialität einmal zu probieren. Der Geschmack ist dann doch ein wenig überraschend – nämlich nicht annähernd so schlimm, wie man sich das vorstellt …
Die Konsistenz des Hais ist fest, ähnlich wie Räucherfisch. Der Geschmack ist zunächst relativ neutral mit leichter Fischnote. Doch je länger man kaut, desto mehr dringt ein Beigeschmack in den Vordergrund, der ein klein wenig nach Ammoniak riecht und sich kühlend wie Menthol anfühlt, allerdings ohne den minzigen Geschmack von Menthol. Der Geschmack ist dann am ehesten vergleichbar mit einem sehr reifen Camembert.
Ein isländischer Brennivin-Schnaps hilft beim Hinunterspülen. Alternativ lässt sich der Geschmack, so man ihn denn wirklich nicht mag, mit einem leicht süßlichen Roggenschwarzbrot („Rugbraud“) neutralisieren.
Isländer essen Hakarl gerne auch mal als Snack zum Fernsehen. Mein Lieblingsgericht wird Hakarl dagegen wohl nicht. Aber wirklich schlecht schmeckt er auch nicht. Und wenn man den Ammoniak-Nachgeschmack nicht mag und einmal in die Verlegenheit kommen, Hakarl essen zu müssen, schluckt man einfach, bevor der intensive Geschmack beim Kauen in den Vordergrund tritt.
Hartgesottene kennen übrigens noch eine Steigerung von Hakarl: die fermentierte Variante einer Rochenart, die in den isländischen Gewässern vorkommt. Das Gericht heißt „Kaest Skata“ und soll noch intensiver schmecken als Hakarl. Der fermentierte Rochen ist ein traditionelles Gericht zu Heilig Abend.
warum müssen wir so ein wunderbares Tier essen, das ein Lebensalter von 400 Jahren erreichen kann?
Nur aus Sensationslust?
@Ruth Tüschner: Wie im Beitrag bereits erwähnt, werden die Haie nicht für diesen Zweck gefangen, sondern sind Beifang aus der Fischerei. Das ist natürlich dennoch sehr traurig, so wie jeder Beifang in der Fischerei, aber eben weit entfernt von „Sensationslust“, und vor alle ein Thema für die Fischereinindustrie, mehr dafür zu tun, wirklich nur die Fische zu fangen, die man auch verwertet und nicht aufgrund der Fischermethoden auch andere Tiere mitzufangen und damit sinnlos zu töten. Bei den Grönlandhaien ist die Verarbeitung zu Hakarl somit sogar sinnvoll und nachhaltig, weil der Beifang hiermit zumindest nicht einfach entsorgt wird, sondern noch einem halbwegs sinnvollen Zweck zugeführt wird.